Ury, Lesser
Verfügbare Werke
Biografie
1861 Birnbaum – 1931 Berlin
Nach dem frühen Tod des Vaters zieht Lesser Urys Mutter 1873 mit ihren drei Söhnen aus der preußischen Provinz in die aufstrebende Reichshauptstadt Berlin. Die ärmlichen Verhältnisse, in denen die jüdische Familie in der alten wie neuen Heimat lebt, prägen sich dem Jungen tief ein. Ury entwickelt sich zum gesellschaftlichen Außenseiter und wird stets ein latent gespanntes Verhältnis zu seiner Umwelt haben.
Von 1879 bis 1887 begibt sich Ury auf Wanderschaft: in Düsseldorf, Brüssel, Antwerpen, Paris und München kommt er mit verschiedenen künstlerischen Strömungen in Berührung, wobei ihn der französische Impressionismus am meisten beeindruckt. Zurück in Berlin sucht Ury die Nähe zu Max Liebermann. Dieser wird nicht nur als Künstler geschätzt, sondern auch in den kommenden Jahrzehnten als Mitbegründer der Vereinigung der XI, Vorsitzender der Berliner Secession sowie Präsident der Preußischen Akademie der Künste immensen Einfluss auf die Berliner Kunstpolitik ausüben. Das anfangs freundschaftliche Verhältnis der beiden verkehrt sich in erbitterte Feindschaft, nachdem Ury behauptet, Liebermann bei der Vollendung eines seiner von der Nationalgalerie erworbenen Gemälde geholfen zu haben. Mit dieser Äußerung – Liebermann wird sie bis zu seinem Tod weder bestätigen noch dementieren – schadet Ury sich massiv. Seinem ehemaligen Freund und Förderer gelingt es, ihn über Jahrzehnte hinweg zu isolieren und aus allen bedeutenden Künstlerkreisen Berlins herauszuhalten.
Urys Repertoire ist breit gefächert: er befasst sich mit Porträts, Interieurs und Stillleben, ebenso mit religiösen und landschaftlichen Motiven. Sein eigentliches Thema aber ist die Millionenmetropole Berlin. Ungeachtet seiner Menschenscheu begibt sich der Künstler in die Kaffeehäuser entlang der Prachtboulevards, wo er das Milieu der oberen Schichten aus nächster Nähe studiert. Im Atelier arbeitet er später seine vor Ort angefertigten Skizzen zu flirrenden Situations- und Gesellschaftsstudien aus. Noch mehr aber zeigt sich Ury von der Dynamik und Mobilität beeindruckt, die das Berliner Straßenbild beherrschen. Mit impressionistischem Duktus fängt er ein breites Spektrum an atmosphärischen Stimmungen zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten ein und lässt das Pulsieren der Großstadt unmittelbar erlebbar werden. Urys Werke werden weit über Berlins Grenzen hinaus bekannt und zum Inbegriff eines modernen urbanen Lebensgefühls.
Nach Jahrzehnten der Ächtung wird Ury die von offizieller Seite lang ersehnte Anerkennung zuteil. 1910 würdigt ihn die Große Berliner Kunstaustellung mit einem Ehrensaal, 1916 richtet ihm der renommierte Galerist Paul Cassirer eine Sonderausstellung aus, 1921 ernennt ihn die Berliner Secession zu ihrem Ehrenmitglied. Als die Berliner Nationalgalerie 1923 mehrere Gemälde Urys ankauft, ist der Durchbruch endgültig erreicht und sein Platz im Kanon der deutschen Kunst des 20. Jahrhunderts gesichert.
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