Bilder aus Arkadien
WELTKUNST
Ausgabe Nr. 87, Mai 2014, Seite 88
Othmar Brioschi, Auf Capri
Seit der Antike gilt die Insel als Sehnsuchtsort par excellence: Capri im Golf von Neapel. Den Blick auf eine Terrasse des Eilands mit seinen schroffen Felsformationen und dem tiefblauen Meer hat der Österreicher Othmar Brioschi um 1900 in Öl festgehalten. Der Maler, der die Wiener Akademie in der Meisterschule für Landschaftsmalerei besuchte, gewann den großen Staatspreis, der mit einem Aufenthalt in Rom verbunden war. 1885 übersiedelte er ganz dorthin. Daher rührt auch sein Interesse für die italienische Landschaft. Seine Werke zeigen eigenwillige Perspektiven und eine Vorliebe für dramatische Licht- und Farbeffekte. Bestimmt besuchte er von Rom aus Capri: Die von Felsen durchzogene Insel mit ihrer blauen Grotte und der immergrünen Vegetation war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als Ferienquartier bei deutschen Künstlern überaus gefragt.
Brioschis ungewöhnliche Ansicht erscheint trotz ihrer topografischen Genauigkeit fast überbelichtet und unwirklich. Das Gemälde gehört neben fünf weiteren aus seinem Werk zur Ausstellung Bilder aus Arkadien 1850 bis 1900. Deutsche Künstler sehen Italien. Die beiden Münchner Kunsthändler Alexander Kunkel und Klaus Spindler zeigen die Schau noch bis Ende Mai in Spindlers Räumen auf der Baaderstraße. Bemerkenswert daran ist, dass hier zwei Generationen gemeinsame Sache machen: Spindler handelt seit mehr als 35 Jahren mit Kunst und Kunsthandwerk aus der Zeit um 1800. Mit dem Projekt setzt er eine Reihe fort, die mit seinem eigenen Schwerpunkt korrespondiert. Seiner Ansicht nach gehen die mediterranen Darstellungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf jene Italienfaszination zurück, die um 1800 ihren Anfang nahm. Der junge Kunsthistoriker Kunkel, der seit 2012 in München handelt, ist auf Zeichnungen und Gemälde ab Mitte des 19. bis zum frühen 20. Jahrhundert spezialisiert. »Das Thema Italien ist lange nicht ausgereizt«, meint Kunkel. Noch seien zahlreiche Gemälde und Zeichnungen aus dem späten 19. Jahrhundert von musealem Rang zu entdecken, »die im Vergleich mit Werken der Goethezeit deutlich unterbewertet sind«.
Oswald Achenbach, Die Bucht von Neapel bei Mondschein
Unter den 15 Gemälden und Zeichnungen hebt er auch Die Bucht von Neapel bei Mondschein (29.500 Euro) hervor, eine Ölskizze Oswald Achenbachs aus dem Jahr 1886. Es sind bei Weitem nicht immer blühende Landschaften, die die Künstler in der Vergangenheit anzogen. So strahlt Ludwig Passinis Aquarell Anna Passini auf dem Balkon des Palazzo Priuli in Venedig von 1866 (45.000 Euro) eine eigentümlich melancholische Stimmung aus, eine zarte Morbidität, wie sie für die Lagunenstadt charakteristisch ist. Heute wissen wir, dass die junge Gattin des Malers vor der bröckelnden Palastfassade bereits ein Jahr später mit nur 26 Jahren an Schwindsucht verstarb.
Text: Susanne Lux