Eine Liebeserklärung in Bronze
Kunstwerk der Woche
Franz von Stuck, Tänzerin
Zu dem Münchner Malerfürsten Franz von Stuck hat Kunkel Fine Art eine ganz besondere Beziehung. In den vergangenen Jahren konnten wir über 20 seiner Werke in wichtige öffentliche und private Sammlungen in ganz Europa und den USA vermitteln. In unserem Kunstwerk der Woche stellen wir eines seiner prominentesten bildhauerischen Werke vor, die 1897/98 konzipierte Bronze Tänzerin.
Am Puls der Zeit
Mit der Tänzerin greift Stuck ein in seiner Zeit hochaktuelles Thema auf, denn Ende des 19. Jahrhunderts erfährt der Tanz eine Reihe von revolutionären Impulsen. Bühnenstars wie La Goulou, Loie Fuller und Isadora Duncan feiern in ganz Europa und den USA große Erfolge und sorgen für die rasche Verbreitung von Can-Can, Schleiertanz und Ausdruckstanz. Die Popularität dieser neuartigen Tanzformen, denen das Streben nach einem neuen Körpergefühl und Bewegungsempfinden gemein ist, wird durch Plakatkünstler wie Jules Chéret und Henri de Toulouse-Lautrec zusätzlich gesteigert. Auch in Deutschland erliegen Malerfürsten wie Franz von Lenbach, Friedrich August von Kaulbach und Franz von Stuck der sinnlich-erotischen Anziehungskraft weltbekannter Tänzerinnen wie der Saharet, der Belle Otéro oder der Rosario Guerrero. Diese verewigen sie in Porträt- wie Rollendarstellungen, die Eleganz mit Temperament verbinden und von einem neuen, selbstbewussten Frauentyp zeugen.
Franz von Stuck, Athlet / Tänzerin
Perfect Match
Nachdem Stuck 1891 mit dem Athleten sein Debüt als Bildhauer gegeben hatte, schuf er 1897/98 die Tänzerin als dessen Gegenstück. Während in seinem plastischen Erstlingswerk ein stilisiertes Selbstporträt zu erkennen ist, diente ihm seine Ehefrau Mary als Modell für dessen Pendant. Auf einer runden Plinthe steht in einer betonten Schritthaltung eine junge, leicht bekleidete Frau mit klassisch stilisierten Gesichtszügen. Ihr Körper ist in sich stark gedreht. Während sie die rechte Schulter nach vorne nimmt, greift der linke Arm nach hinten, um das herabgleitende Gewand zu halten. Ihr sehr dünnes, fein gefältetes Kleid wird durch die tänzerische Bewegung in Schwung versetzt und verleiht ihrer Erscheinung ornamentalen Charakter. Dieser wird durch die unterschiedliche Oberflächenbehandlung wie die glatte Haut oder die fein ziselierten Haare und das impressionistisch aufgelöste Gewand zusätzlich unterstrichen.Während Stuck bei dem kugelstemmenden Athleten den Hauptakzent auf die Visualisierung der Kraftanstrengung legt, betont er in der Tänzerin die Leichtigkeit der Bewegung. Auch wenn darin moderne Formen des Ausdruckstanzes anklingen, mutet sein Werk antikisch an. Damit fügt es sich in sein von klassischer Strenge bestimmtes Gesamtwerk ein, das er zuweilen auch in der Erscheinung seiner eigenen Person zelebrierte.
Franz und Mary Stuck als Römerpaar anlässlich des
Kostümfestes „In Arkadien“ 1898
Eine Liebeserklärung in Bronze
Welchen zentralen Stellenwert Stuck den beiden Plastiken Athlet und Tänzerin zumaß, geht auch aus deren Präsentation in seinem eigenen häuslichen Umfeld hervor. 1897 hatte der angehende Malerfürst die junge Witwe Mary Lindpaintner geheiratet, die ihm fortan häufig als Modell diente. Im selben Jahr hatte er den Grundstein für seine herrschaftliche Villa an der Prinzregentenstraße gelegt, die bald ein gesellschaftlicher Mittelpunkt Münchens wurde. Herzstück des Hauses war das eindrucksvolle Prunkatelier, in dem von Anbeginn sowohl ein Exemplar des Athleten wie auch der Tänzerin zur Aufstellung gelangten. Bei einer späteren Neukonzeption des Ateliers errichtete Stuck den sog. Altar der Sünde, in dem die Bronzen in einer Nischenarchitektur einander gegenübergestellt wurden und damit die Verbundenheit des Hausherren zu seiner Frau demonstrierten.
Altar der Sünde, Villa Stuck