Goldene Zeiten für Sammler

DIE ZEIT
Ausgabe 20. Oktober 2016, Seite 58

Hans Lietzmann, Pergola der Villa Paradiso in Torbole am Gardasee

 

Wer wird heute noch Kunsthändler, und wer kauft? Ein Gespräch mit Alexander Kunkel, dem Co-Geschäftsführer der HIGHLIGHTS, über die Rolle der Münchner Messe

DIE ZEIT: Der Markt für ältere Kunst gilt als verstaubt und dynastisch organisiert. Wie wird man da zum Händler?

Alexander Kunkel: Ich hatte das Glück, in einer kunstaffinen Familie aufzuwachsen. Meine Eltern haben mich schon früh in Galerien mitgenommen. Mich hat dann die Leidenschaft gepackt, ich habe Kunstgeschichte studiert und währenddessen in einer Münchner Kunsthandlung gejobbt. Dort habe ich alle Bereiche kennengelernt, den Ablauf von Messen, die Recherche zu neu eingelieferten Objekten bis hin zur Auswahl der Passepartouts und der Organisation des Transports. Nach der Doktorarbeit habe ich dann 2012 die eigene Firma gegründet.

ZEIT: Und warum ausgerechnet in München?

Kunkel: In München gibt es, was die nicht zeitgenössische Kunst betrifft, eine optimale Infrastruktur. Mit dem Zentralinstitut für Kunstgeschichte haben wir eine fantastische Handbibliothek, mit den öffentlichen Sammlungen eine wunderbare Möglichkeit, das Auge und Qualitätsempfinden zu schulen. Wir haben aber auch die größte Dichte an Auktionshäusern und Kunsthandlungen in Deutschland. Berlin kann da – was die Kunsthändler angeht – nicht mithalten. Und in London oder Paris sind die Kosten zu hoch.

ZEIT: Sie haben sich auf die nicht gerade angesagte Kunst um 1900 spezialisiert, auch auf Salonmalerei und Illustrationen, die viele als schwülstig und kitschig empfinden. Wie kommt ein junger Mensch wie Sie auf so ein Feld?

Kunkel: Die Kunst um 1900 polarisiert nach dem heutigen Geschmack sehr, das stimmt. Ich finde diese Zeit jedoch eine der spannendsten kunsthistorischen Epochen in Deutschland überhaupt, der Zeitgeist von damals tangiert uns auch heute. Etablierte Strukturen waren im Umbruch, es war eine Zeit der Experimente, neben der Salonmalerei entstanden Symbolismus und Jugendstil, und der Expressionismus kündigte sich an. Es gab nie so viele Akademieabgänger wie um 1900. Und deshalb ist damals auch ein unglaublich großer Pool an Objekten entstanden. Um Nachschub an qualitativer Ware muss ich mir, anders als etwa auf Gotik spezialisierte Händler, noch keine Sorgen machen. Ich kann mich in diesem Feld auf Spurensuche begeben, kann einzelne Werke erforschen und eine Zeit lang mit ihnen leben. Was gibt es Schöneres!

ZEIT: Ihre Doktorarbeit in Kunstgeschichte haben Sie über den recht vergessenen Künstler Heinrich Kley geschrieben, was fasziniert Sie so an ihm?

Kunkel: Sein Fundament ist zunächst eine akademische Kunstauffassung, er entwickelt sich dann aber zu einem virtuosen Zeichner und schafft seine eigene Bildwelt. Kleys Themen sind der Kampf der Geschlechter, Tier- und Mensch-Grotesken, die technisierte Welt. Zu seinen Lebzeiten war er zunächst sehr anerkannt, schon vor seinem Tod dann aber fast vollständig in Vergessenheit geraten. Später wurde er von Zeichentrickfilmern wie Disney gefeiert. Meine erste Zeichnung von Kley habe ich noch als Schüler für 100 D-Mark gekauft, das ist ein ikonisches Stück aus seinem Werk. Heute liegt der Marktwert dafür bei gut 10.000 Euro.

ZEIT: Sie haben schon als Schüler gesammelt?

Kunkel: Ja, aber weil ich über kein großes Budget verfügte, musste ich auch wieder verkaufen. So verläuft der Werdegang vieler vom Sammler zum Händler.

ZEIT: Sammeln Sie noch heute?

Kunkel: Nein, ich muss ja auch etwas verdienen. Und die besten Stücke zurückzuhalten wäre eine schlechte Werbung für das eigene Geschäft.

ZEIT: Der Markt für ältere Kunst hat ein massives Nachwuchsproblem, manche Händler machen ihre Hauptumsätze mit Sammlern, die bereits weit über 80 Jahre alt sind.

Kunkel: Mein jüngster kaufender Sammler ist jünger als ich! Er ist ein in London lebender Künstler, der die Sets von Game of Thrones mitgestaltet hat und der von der handwerklichen Perfektion und der Fantasie der Kunst um 1900 begeistert ist. Ich suche nach Werken, deren Bildideen uns noch heute packen. Themen wie Erotik, Transzendenz, Schmerz oder Angst sind überzeitlich, das verstehen junge wie alte Menschen.

ZEIT: Und wie bringen Sie diese dann zum Kaufen und Sammeln?

Kunkel: Ich versehe zum Beispiel auf meiner Webseite alle jene Werke mit einem speziellen Symbol, die unter 10.000 Euro kosten. Viele Menschen denken, sie könnten sich Kunst gar nicht leisten, sie haben keine Vorstellung von den Marktwerten. Ich bin ein Verfechter von großer Transparenz bei diesem Thema, auf Messen zeichne ich die Preise der Kunstwerke offen aus. Im Bereich der alten Kunst kann man sehr viel günstiger museale Werke erwerben als im Bereich der Zeitgenossen. Es sind jetzt goldene Zeiten für Sammler.

ZEIT: Seit diesem Jahr sind Sie zudem mit Ihrem Kollegen Konrad Bernheimer Co-Geschäftsführer der Kunstmesse HIGHLIGHTS. Steht diese Messe vor einem Wandel?

Kunkel: Es gibt schon jetzt eine Verjüngung in der Messestruktur und bei den Ausstellern. Aber Fakt ist, dass der Kunsthandel zu lange nichts für die Förderung des Nachwuchses getan hat. Da muss jetzt etwas passieren, denn es dauert Jahre, um eine neue Sammlergeneration heranzuziehen.

ZEIT: Wie wollen Sie das schaffen? Günstige Preise auszuzeichnen ist doch wohl nur ein Anfang?

Kunkel: Ich glaube, dass jüngere Menschen einen leichteren Zugang zu Händlern finden, wenn diese aus ihrer eigenen Alterskohorte kommen. Da gibt es weniger Vorbehalte und Ängste. Deshalb haben wir jetzt mehrere jüngere Kollegen in die Messe aufgenommen.

ZEIT: Manche der Aussteller aus den ersten Jahren, wie etwa die renommierte Kunsthandlung Daxer & Marschall, haben sich dafür von der Messe verabschiedet.

Kunkel: Einige Händler haben sich wegen der Teilnahme an anderen Messen in New York und London zurückgezogen. Einige Kollegen glauben, dass sie im Ausland eventuell mehr verkaufen können. Ich habe jedoch in München immer gute Geschäfte gemacht. Vergangenes Jahr konnte ich auf der HIGHLIGHTS eine Medusa von Franz von Stuck für 250.000 Euro verkaufen. Dieses Jahr biete ich auf der Messe ein Luzifer-Gemälde von Stuck in derselben Preisklasse an. Die HIGHLIGHTS ziehen nach wie vor viel Publikum an, es ist der wichtigste Termin dieser Art im deutschsprachigen Raum. Und zeitgleich präsentieren unsere Kollegen auf der Kunst & Antiquitäten-Messe im hiesigen Postpalast noch das etwas günstigere Segment.

ZEIT: Der Markt für alte Kunst und Antiquitäten wird derzeit von zwei Fälschungsskandalen erschüttert. In Paris wurden angeblich Möbel, die aus dem Schloss Versailles stammen sollten, gefälscht und für Millionensummen von einigen der prominentesten Antiquitätenhändler verkauft. Nun wird auch bei einer ganzen Reihe von Altmeister-Gemälden, die durch die Hände bekannter Händler gingen, die Echtheit angezweifelt. Ist das eine Gefahr für Ihr Geschäft und für Kunstmessen wie die HIGHLIGHTS?

Kunkel: Wenn man sich als Händler wie ich in einer Nische bewegt, hat das auch Vorteile: Es gibt dort weniger Fälschungen. Aber man muss offen mit diesem Problem umgehen, sonst kommt es zu einem enormen Vertrauensverlust. Und Vertrauen ist eine der wichtigsten Säulen in diesem Geschäft. Unsere Messe hat eine Jury aus Museumskuratoren und Experten für jeden relevanten Sammelbereich, die am Tag vor der Eröffnung alle Objekte begutachten. Sobald ein Werk Fragen aufwirft, die von den Händlern nicht befriedigend beantwortet werden können, muss es entfernt werden.

 

Das Gespräch führte Tobias Timm

Die Kunstmesse HIGHLIGHTS findet vom 26. bis 30. Oktober in der Münchner Residenz statt.
Weitere Informationen – auch zu parallelen Messen und Ausstellungen des Kunsthandels – unter: www.kunstherbstmuenchen.de