Der König der Löwen Paul Meyerheim

RIZE
Edition 15/2019, Seite 66ff

Paul Meyerheim, Auf der Lauer

 

Die exotischen Tierwelten des Paul Meyerheim

Sprach man um 1900 in Kunstkreisen vom „Löwen-Meyer“, so wusste jedermann sofort, von wem die Rede war. Und der Berliner Maler Paul Meyerheim ließ sich den liebevoll gemeinten Beinamen gerne gefallen. Bestätigte er doch, dass es ihm gelungen war, durch seine Kunst selbst zum Markenzeichen zu werden. Wer aber war Meyerheim?

In einem Alter, in dem andere Kinder noch Lesen, Schreiben und Rechnen lernen, übt sich Paul Meyerheim schon fleißig in der Malerei. Kein Wunder, denn der 1842 geborene Knabe entstammt einer bekannten Berliner Künstlerfamilie und wird bereits früh von seinem Vater unterrichtet. Auch dessen enger Freund Adolph Menzel, der wichtigste Vertreter des deutschen Realismus, nimmt sich der Ausbildung des Jungen an. Auf gemeinsamen Exkursionen lehrt er seinen Schützling nach der Natur zu zeichnen und prägt damit dessen künstlerische Entwicklung entscheidend.

Paul Meyerheim, Interieur mit Hund

Allgemeine Aufmerksamkeit erregt Meyerheim erstmals auf der Berliner Kunstausstellung von 1860. In dem Gemälde Interieur mit Hund verteidigt ein auf einem Stuhl sitzendes Äffchen einen von einer gedeckten Tafel stibitzten Früchteteller gegen einen Neufundländer. Der mächtige Hund schaut den fauchenden Dieb gelassen und ohne jegliches Interesse an der Beute an, wodurch die Szene eine ungemein komische Note erhält. Mit diesem malerischen Bravourstück stellt der 18jährige Akademiestudent nicht nur Humor und technisches Können unter Beweis, sondern auch seine Begabung in der Charakterisierung unterschiedlicher Tierarten. Diese Qualitäten werden fortan Meyerheims Markenzeichen.

Paul Meyerheim, Wiedehopf auf einem Baumstumpf

Flotte Naturstudien wie Wiedehopf auf einem Baumstumpf oder Schlafendes Wildschwein, die Meyerheim über Jahrzehnte hinweg auf Wanderungen durch Wälder und Wildgehege malt, zeugen vom unermüdlichen Interesse des Künstlers an der heimischen Fauna. Zudem hat er ein ausgeprägtes Faible für exotische Tiere. Mit Vorliebe besucht Meyerheim den Zoologischen Garten seiner Heimatstadt Berlin, doch auch in anderen Tiergärten des In- und Auslandes betreibt er seine Studien vor dem lebenden Objekt. Dass er dabei nicht selten Eindrücke verarbeitet, die er durch die Auseinandersetzung mit berühmten Vorgängern wie Eugène Delacroix empfängt, beweist sein Gemälde Tiger im Schilf. Die Lebendigkeit der Darstellung rührt nicht allein vom direkten Blickkontakt der Wildkatze mit dem Betrachter her, sondern auch von der lockeren Pinselführung und dem Primat der Farbe.

Paul Meyerheim, Tiger im Schilf

Darüber hinaus begeistert sich Meyerheim seit seiner Jugend für das Phänomen der Wanderzirkusse. Bereits 1866 erhält er auf dem Pariser Salon eine Goldmedaille für das Gemälde Menagerie, das am Anfang einer Reihe von Werken steht, in denen der Künstler in eine gleichermaßen fremde wie faszinierende Welt eintaucht. In diesem geschlossenen Kosmos am Rande der bürgerlichen Gesellschaft leben Mensch und Tier auf engem Raum und in ständiger Interaktion zusammen.

Paul Meyerheim, Ein Bravourstück

Das Gemälde Ein Bravourstück gibt eine typische Szene aus einer Aufführung wieder, in dem eine prächtig herausgeputzte Artistin dem staunenden Publikum ein Dressurstück mit fünf Affen und einem Königspudel vorführt. Meyerheim wirft nicht selten jedoch auch einen Blick hinter die Kulissen, etwa wenn eine Dompteuse wilde Tiere wie Wölfe, Leoparden und Hyänen entgegen ihres natürlichen Verhaltens vom Reißen eines Schafes abhält und sie stattdessen zum Sprung durch einen Reifen anhält.

Paul Meyerheim, Die Dompteuse

Mehr an das Gemüt wendet sich der Künstler mit Gemälden wie Zwei Königskinder, in dem eine Artistin in die Rolle einer Amme schlüpft und zwei Löwenbabys mit einer Milchflasche füttert. Bilder wie diese machen Meyerheim zum Publikumsliebling und sorgen auf großen internationalen Kunstausstellungen für Aufsehen. Viele von Ihnen gelangen in die Sammlungen bedeutender Museen in Dresden, Leipzig, Frankfurt oder Berlin.

Paul Meyerheim, Zwei Königskinder

Meyerheims hohe Wertschätzung wird nicht zuletzt durch die Tatsache belegt, dass er als erster Professor für das Fach der Tiermalerei an die Berliner Akademie der bildenden Künste berufen wird und jahrzehntelang einer ihrer beliebtesten Lehrer ist. Seine Werke zählen zu den herausragenden Beispielen des Genres in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und haben bis heute nichts von ihrer Lebendigkeit verloren. Gut gebrüllt, „Löwen-Meyer“!