Antoinette von Saurma Masked

RIZE
Edition 2022, Seite 81-86

Antoinette von Saruma, Vogelmaske I

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Antoinette von Saurma verbrachte ihre Kindheit auf einer Farm in Namibia, das bis zum Ersten Weltkrieg deutsche Kolonie war. Die Folgen der damit verbundenen gesellschaftlich-kulturellen Zäsur sind bis heute spürbar und ein zentrales Thema im Schaffen der in München lebenden Künstlerin. In ihrem 2020 begonnenen Masken-Zyklus befasst sich von Saurma mit den kultischen Bedeutungsebenen der durch historische afrikanische Masken dargestellten Tiere und Lebewesen. Sie adaptiert die abstrahierende Formensprache ihrer Motive durch die Reduktion von Form und Farbe, um so eine Vorstellung von der ihnen innewohnenden spirituellen Kraft zu vermitteln.

Antoinette von Saurma, Chivara-Maske

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Alexander Kunkel: Liebe Antoinette, Du hast ab 1980 an der Kunstakademie in Johannesburg studiert und viele Jahre später auch in München. Welche Einflüsse aus dieser Zeit prägen bis heute Deine künstlerische Arbeit? Was hat Dich jeweils am meisten beeindruckt?
Antoinette von Saurma: Der Akademie in Johannesburg verdanke ich vor allem meine fundierten Zeichenkenntnisse. Die Fächer Malerei, Skulptur und Druckgrafik standen hingegen auf einem sehr akademischen Lehrplan, gegen dessen Strenge ich mich damals gesträubt habe. Hauptgrund für diesen Anachronismus war die Apartheid, denn sich künstlerisch frei auszudrücken war weder gewollt noch erlaubt. Somit war unser Blick damals nach Europa gerichtet, was auch daran lag, dass wir ausschließlich in europäischer Kunstgeschichte unterrichtet wurden. In starkem Gegensatz zu meinen Studienjahren in Johannesburg stand die Zeit an der Münchner Akademie, die ich 2016 als Meisterschülerin von Jorinde Voigt verließ. Diese Kombination half mir das Beste aus beiden Welten in meinen Arbeiten zu vereinen: Das handwerkliche Können einerseits und die Freiheit individueller Formen- und Motivsprache andererseits.

Durch Deinen Werdegang bist Du eng mit Südafrika verbunden und hast das Aufblühen der dortigen Kunstszene nach dem Ende der Apartheid verfolgt. Wie hast Du diesen Prozess empfunden und wie siehst Du heute afrikanische Kunst im internationalen Kontext?
A Nach dem Ende der Apartheid explodierte die Kunstszene in Südafrika regelrecht. Nicht nur ich war damals überwältigt von der Kraft einer so eigenständigen Stimme, die lange Zeit im Verborgenen geblüht hatte und nur darauf gewartet zu haben schien, sich endlich zu erheben. Ich glaube, es ist diese unverwechselbare Stimme, die bis heute überzeugt. Sie erklärt auch das wachsende internationale Interesse an afrikanischer Kunst in den letzten Jahren.

Im Atelier der Künstlerin

© Carlos Sellmeyer Photography

Deinem eigenen Schaffen spielt die afrikanische Kultur ebenfalls eine große Rolle. Jüngstes Beispiel ist ein Zyklus zum Thema Masken, mit dem Du Dich seit Frühjahr 2020 auseinandersetzt. Was hat es damit auf sich?
Ich habe die Masken, welche dem Zyklus inhaltlich wie motivisch zugrunde liegen, in der Sammlung zweier befreundeter Künstler zusammen mit christlichen Symbolen gesehen. Es war wie ein Blitzeinschlag, so stark und so aufregend, dass ich sofort an Ort und Stelle anfangen musste zu arbeiten. Besagte Freunde, Gerhard Swart und Anthony Harris von Ceramic Matters in Südafrika, sind hauptsächlich skulptural in Ton arbeitende Künstler. Durch die Auseinandersetzung mit der Formsprache christlicher Objekte haben sie ihr Verständnis für religiöse Rituale und die zur Anwendung kommenden liturgischen Geräte stark vertieft. Unser Austausch kreiste dann hauptsächlich um die Frage, wie Rituale sich auf Objekte stützen. Swart und Harris sind übrigens wie ich Kinder des afrikanischen Kontinents mit europäischen Wurzeln. Es ist wichtig darüber zu diskutieren, wie sich das Verhältnis des „Fremden im eigenen Land“ mit den Gegensätzen Christentum und Naturreligion definiert. Denn seitdem die Apartheid glücklicherweise der Vergangenheit angehört, kann und muss man sich als Künstler wie Mensch mit mehr als nur einer Formsprache auseinandersetzen. Es ist eine großartige Chance, dass der Reichtum der afrikanischen Naturreligionen und ihren kraftvollen Formsprachen erkundbar geworden ist.

Ernst Ludwig Kirchner - Sitzende Frau im Tub 1

Ernst Ludwig Kirchner, Sitzende Frau im Tub (Courtesy Kunkel Fine Art – Privatsammlung, Deutschland)

„Blitzeinschlag“ ist ein schönes Stichwort im Zusammenhang mit Kunst und afrikanischen Masken. Anfang des 20. Jahrhunderts haben Künstler wie Pablo Picasso oder Ernst Ludwig Kirchner sich sehr stark von der Formsprache afrikanischer Masken inspirieren lassen. Was hat Dich inspiriert und was hat Dich nachdrücklich beeindruckt?
Ich hatte einen ganz anderen Ansatz als die genannten Künstler bzw. die Avantgarde des 20. Jahrhunderts. Es war weniger die Formsprache der Masken, sondern eher deren Aura und Funktion, die mich fasziniert hat! Diesen sakralen Objekten wohnt eine ungeheure Kraft inne. Sie sind zudem ein Sprachrohr für Naturgeister sowie die Seelen der Tiere und der Ahnen. Erstaunlich ist, dass die Masken meist aus einfachem, alltäglichem Material gefertigt sind: eine Kombination von Holz, Gräsern, Metall, Tuch und Muscheln. Der Träger einer solchen Maske erhält Zugang zu einer anderen geistigen Welt. Wie Du siehst, habe ich sehr viel Respekt vor der Bedeutung und dem handwerklichen Können, die hinter diesen Objekten stehen. Der Gegensatz zu christlichen Objekten war dann für mich der Schlüssel.

Offensichtlich handelt es sich bei den Masken um ein sehr komplexes Phänomen, zu dem Du im Rahmen Deines Zyklus bisher über 20 Arbeiten angefertigt hast. Hat das Thema auch eine darüber hinausreichende Bedeutung für Dich?
Geprägt von einer europäischen Familiengeschichte und Tradition, gezeichnet von den geerbten Traumata der letzten Kriege und meiner afrikanischen Kindheit, in der ich das Privileg hatte in mondlosen Nächten ferne Trommelschläge geheimer Zeremonien hören zu dürfen, suche ich, als gläubiger Mensch, der eine Verbindung zu beiden Formen der Spiritualität und zu beiden Kontinenten fühlt, meinen Platz zwischen diesen beiden Welten. Die Entdeckung der Maske und meine Zeichnungen dazu weisen mir einen Weg, dem ich folgen muss.

Antoinette von Saurma, Menschliche Maske

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Zum Abschluss unseres Gespräches drängt sich die Frage auf, wie es mit dem Masken-Zyklus weitergehen wird?
Der Zyklus ist bereits in sich geschlossen, entwickelt sich aber fortlaufend weiter und ich bin sehr glücklich, dass ich diese Zeichnungen bei Kunkel Fine Art zeigen darf. Die Verbindung zu den Zeichnungen von Kirchner, die Du, lieber Alexander, im letzten Jahr hergestellt hast, haben dabei wunderbare neue Perspektiven eröffnet. Im Herbst 2022 werde ich diese und weitere Arbeiten übrigens im KOENIGmuseum in Landshut in Verbindung mit der Sammlung Koenig zeigen. Darauf freue ich mich schon sehr.

von Dr. Alexander Kunkel