Wahn oder Wirklichkeit
Informationen
Heine, Thomas Theodor
Wahn oder Wirklichkeit
1897
Bleistift, Tusche, Aquarell und Farbstifte auf Karton
35 x 30,5 cm
Links unten monogrammiert „TTH“, verso zweifach betitelt und bezeichnet „Nr. 28“
Veröffentlicht:
Simplicissimus. Jahrgang 2 (1897), Heft 4, Seite 25
Der König (grübelnd): „Mich wandelt ein Zweifel an. Bin ich wirklich der König oder bin ich blos von Größenwahn befallen?” – Der Narr: „Vielleicht beides, Sire.“
Mit ihrem Namen Simplicissimus (lateinisch „der Einfältigste“) lehnte sich die Zeitschrift an den 1668 erschienenen Schelmenroman Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch von Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen an. Bereits in der ersten Ausgabe 1896 zitiert sie den Wahlspruch der Romanfigur: „Es hat mir so wollen behagen, / Mit Lachen die Wahrheit zu sagen“.
Diesen Anspruch löste kaum ein Mitarbeiter so konsequent ein wie Thomas Theodor Heine. In Wahn oder Wirklichkeit versetzt er den Betrachter in einen mittelalterlichen Thronsaal, in dem ein König seinen Hofnarren nach Auskunft über seinen Gemütszustand befragt. Dieser hat als einziger das Recht, die Wahrheit zu sprechen, ohne dafür bestraft zu werden. Seine zweideutige Antwort bestätigt den Fragenden sowohl im Hinblick auf seinen monarchischen Rang als auch auf seine Selbstüberschätzung. Für die Zeitgenossen war klar, dass Heine damit auf Kaiser Wilhelm II anspielte. Dieser war für seinen Wankelmut sowie seine Großmannssucht bekannt. Mit den im Hintergrund der Zeichnung erkennbaren Schiffen verweist der Künstler auf die vor allem gegen England gerichtete Flottenpolitik des Kaisers, der 1896 proklamiert hatte: „Deutschlands Zukunft liegt auf dem Meer“.
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