Und ewig lockt das Weib – Franz von Stuck und die Frauen

RIZE
Edition 12/2018, Seite 82ff

Franz von Stuck, Judith und Holofernes

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Die Prinzregentenstraße zählt zu Münchens elegantesten Boulevards. Eines ihrer architektonischen Wahrzeichen ist die Villa Stuck, die sich der Malerfürst Franz von Stuck Ende des 19. Jahrhunderts erbauen ließ. Seinen Erfolg verdankte er den schönsten Frauen seiner Zeit.

Glanz und Ruhm sind Franz Stuck nicht in die Wiege gelegt. 1863 als Sohn eines Müllers im niederbayerischen Tettenweis geboren, geht er in jungen Jahren nach München, um Kunst zu studieren. Daneben verdient er seinen Lebensunterhalt als Illustrator für humoristische Zeitschriften. Dem gleichermaßen ehrgeizigen wie talentierten Stuck wird bald klar, dass ihm der Durchbruch aber nur als Maler gelingen kann. Mit untrüglichem Gespür für den Geist der Zeit spezialisiert er sich auf mythologische Themen und beteiligt sich mit seinen Gemälden an den Internationalen Kunstausstellungen im Münchner Glaspalast. Schnell stellt der aufstrebende Künstler fest: je erotischer das Motiv, desto höher die Aussicht auf Erfolg!

Franz von Stuck, Die Sünde

1893 gelingt Stuck der große Coup. Auf der Ersten Ausstellung der Münchner Sezession, deren Mitbegründer er ist, sorgt sein Gemälde Die Sünde für Furore und wird noch im selben Jahr von der Neuen Pinakothek erworben. Durch die Verbindung von animalischer Gefahr und weiblicher Verführungskraft elektrisiert der Maler die Zeitgenossen. Bis heute zählt das Bild zu den Ikonen der Malerei des Fin-de-siècle und begründet Stucks Stellung als einer der wichtigsten Vertreter des europäischen Symbolismus.

Von nun an geht es steil bergauf mit Stuck. 1893 erscheint die erste Monografie über sein Werk, zwei Jahre später wird er zum Professor der Münchner Akademie ernannt. Was ihm hingegen immer weniger in die Karriereplanung passt, ist seine Geliebte Anna Maria Brandmaier. Zwar ist sie das Modell für Die Sünde und die Mutter seiner 1896 unehelich geborenen Tochter Mary, doch als Bedienung aus dem Café Luitpold schlicht nicht gesellschaftsfähig. Kurz nachdem Stuck sie verlassen hat, heiratet er 1897 Mary Lindpaintner. Als Witwe eines angesehenen Arztes bringt sie ein stattliches Vermögen mit in die Ehe und ebnet ihm den Weg in die höchsten Kreise. Dass sie zudem eine der schönsten Frauen Münchens ist, kann dem Beau und Womanizer Stuck nur recht sein.

1898 beziehen Stuck und seine Frau die von ihm bis ins letzte Detail entworfene Villa in der Prinzregentenstraße. Ihr streng neoklassizistischer Stil unterscheidet sie von allen anderen Gebäuden der Stadt, zugleich ist sie als ideale Bühne für das öffentliche wie private Leben des Paars angelegt. Während im repräsentativen Salon und Musikzimmer illustre Gesellschaften gegeben werden, arbeitet der Meister im herrschaftlichen Atelier. Spätestens jetzt proklamiert der Shootingstar der Münchner Kunstszene einen ebenbürtigen Platz neben seinen älteren Kollegen Franz von Lenbach und Friedrich August von Kaulbach, die in stattlichen Anwesen am Königsplatz und Englischen Garten residieren. Als Stuck 1906 in den persönlichen Adelsstand erhoben wird, hat er den Zenit seiner Karriere erreicht und gilt als einer der drei Münchner Malerfürsten.

Bei allem äußeren Glanz liegt jedoch ein dunkler Schatten über dem Glück des Ehepaars, denn der ersehnte Kindersegen bleibt aus. Erst durch die Adoption von Stucks unehelicher Tochter Mary 1904 wendet sich das Blatt. Freilich mit bitteren Folgen für deren Stiefmutter. Hat Stuck bislang häufig seine Frau als Modell genommen, so verschwindet sie von nun an fast völlig aus seinen Werken. Wie eng dagegen das Verhältnis zwischen dem Maler und seiner Tochter ist, zeigen die zahlreichen Bildnisse, die er von ihr anfertigt. Diese intimen Charakterstudien zählen zu Stucks charmantesten Arbeiten und weisen ihn als überaus feinfühligen Porträtmaler aus.

Franz von Stuck, Mary Stuck in Münchner Tracht

Der Erste Weltkrieg und das Ende der Monarchie bedeuten eine einschneidende Zäsur im Leben und Werk von Stuck. Zwar zählt er auch nach 1918 noch zu den angesehensten Persönlichkeiten im kulturellen Leben Münchens, doch werden die Maßstäbe schon längst von einer jüngeren Generation von Künstlern gesetzt. Dass sich Stuck gegenüber der Moderne jedoch nicht verschließt und Prinzipien wie Vereinfachung und Klarheit in die Gestaltung seiner symbolistischen Bildwelten integriert, zeigt das Gemälde Judith und Holofernes von 1926. Als charakteristisches Beispiel seines Spätwerks veranschaulicht es die Hingabe des Künstlers an das Thema, das ihn von Jugend an beschäftigt hat: der Kampf der Geschlechter, in dem die Frau durch ihre Verführungskraft über den Mann triumphiert. 1928 stirbt Stuck überraschend. Seine Villa bleibt noch Jahrzehnte in Familienbesitz und erfährt nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Arten der Nutzung. Seit 1992 ist sie ein Museum der Stadt München und zählt zu den wenigen bis heute nahezu unverändert erhalten gebliebenen Künstlerhäusern um 1900.