Von der Kunst des Sammelns – Über Wege, Möglichkeiten und Strategien beim Aufbau einer Kunstsammlung

Neue Juristische Wochenschrift
Edition 11/2019, Seite 28ff

Sammler sind glückliche Menschen, sagte schon Johann Wolfgang von Goethe. Deckt sich diese Behauptung mit Ihren Erfahrungen?

Kunkel: Das Sammeln an sich, also das systematische Zusammentragen von Objekten aus einem bestimmten Bereich, wird tatsächlich von vielen Menschen als äußerst spannender und befriedigender Prozess empfunden. Er beinhaltet das Entdecken, Erwerben und Bewahren einzigartiger Objekte, deren Tiefe und Kraft eine ungemein inspirierende Wirkung ausüben können. Und das macht durchaus glücklich.

Was zeichnet einen versierten Kunstsammler aus?

Kunkel: Unabhängig vom jeweiligen Sammelgebiet sind Leidenschaft für die Materie, Gespür für Qualität und Beharrlichkeit die wichtigsten Eigenschaften des Kunstsammlers. Erst an zweiter Stelle kommen Kapitaleinsatz, Prestigedenken und Vermögensbildung. Unerlässlich ist ab einem gewissen Zeitpunkt eine klare Strategie, damit die erworbenen Werke eine Sammlung und kein Sammelsurium bilden.

Wären ein Nagelbild von Günther Uecker, ein Gemälde von Franz von Stuck und eine Zeichnung von Gustav Klimt ein Sammelsurium?

Kunkel: Uecker ist einer der wichtigsten deutschen Künstler der Nachkriegszeit. Aber ein Nagelbild von ihm wirkt neben den beiden Großmeistern des Jugendstils eher wie ein Fremdkörper. Sammler sollten sich auf ein Kerngebiet konzentrieren und sich darüber bewusst sein, was und vor allem was sie nicht sammeln wollen. Dies bewahrt davor, sich zu verzetteln. Auch sollte sich jeder über den Umfang seiner Sammlung Gedanken machen. Wer eine Vorliebe für große Skulpturen hat, die für die optimale Wirkung entsprechend Raum benötigen, braucht ganz andere Dimensionen als ein Liebhaber von Arbeiten auf Papier.

Es gibt Drucke von Albrecht Dürer im Preisbereich von 3.000 bis 500.000 Euro. Braucht ein Sammler nur Zeit oder doch eher professionelle Hilfe, um wichtige wertbildende Kriterien wie Authentizität, Erhaltungszustand, Seltenheit, Provenienz etc. beurteilen zu können?

Kunkel: Sammeln ist ein ewiger, beglückender Lernprozess. Fachkenntnis und die Fähigkeit, das konkrete Kunstwerk richtig einschätzen zu können, ist ein Hauptkriterium beim Aufbau einer Kunstsammlung. Ich will gar nicht von Fälschungen sprechen. Aber allein die Bewertung eines Kunstwerks innerhalb eines Oeuvres setzt profunde Kenntnisse voraus. Nehmen wir beispielsweise Ernst Ludwig Kirchner, einen Hauptvertreter des deutschen Expressionismus. Eine Aktzeichnung aus seiner frühen Schaffensperiode um 1910 ist etwas völlig anderes als eine Landschaft der 1930er Jahre. Dies schlägt sich natürlich auch im Preis nieder. Kunsthistoriker, Galeristen und Restauratoren widmen einen großen Teil ihrer Zeit der wissenschaftlichen Erforschung von Kunstgegenständen, wobei sie meist auf ein weitverzweigtes Netzwerk von Kollegen sowie das Wissen von Fachleuten anderer Branchen zurückgreifen. Diese Art von Austausch und Expertisen sind Entscheidungshilfen und letztlich ausschlaggebend für die Qualität einer Sammlung.

Heißt Beratung von Experten nicht letztlich, dass ich mich dem Markt unterwerfe?

Kunkel: Der Markt existiert unabhängig von Beratern. Er ist so groß und vielfältig wie ein Irrgarten. Da ist Beratung eher von Vorteil. Fast alle bedeutenden Sammler hatten oder haben professionelle Berater. Es geht um den Austausch von Meinungen und Ansichten, um das Bewahren vor Irrtümern. Viele Kunstliebhaber denken, dass Experten schwer zugänglich sind oder hohe Honorare für Ihre Beratungstätigkeit fordern. Auf jeder Messe, auf jeder Vernissage, in jeder Galerie können Sie mit Experten in Kontakt treten und sich austauschen. Natürlich muss man gerade als Einsteiger eine gewisse Hemmschwelle überschreiten. Aber die Erfahrenen und die Anfänger eint ein unsichtbares Band – die Begeisterung.

Wie findet ein Sammler den richtigen Experten?

Kunkel: Es gibt heute ungemein viele Vortragsreihen, Kolloquien, Art Talks, auf denen anerkannte Experten zu Themen aus ihrem Gebiet referieren. Zudem gibt es für fast alle Kunstrichtungen national wie international einschlägige Auktionshäuser, Galeristen und Kunsthändler. Kunstliebhaber, die sich seit geraumer Zeit mit einem Sammelgebiet beschäftigen, werden immer wieder auf gewisse Namen in der Fachliteratur, Presse und im Dialog mit anderen Sammlern stoßen. Am besten, man bildet sich selbst im direkten Gespräch ein Urteil über deren Seriosität, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit. Wenn der Eindruck positiv ist und „die Chemie stimmt“, ist dies eine gute Voraussetzung für eine beidseitig erfolgreiche Zusammenarbeit.

 

Hinweis zum Autor:

Dr. Alexander Kunkel,
Jahrgang 1979, gründete nach dem Studium der Kunstgeschichte, Geschichte und Literatur und Stationen bei Christie’s in London und dem Kunsthistorischen Museum in Wien 2012 den Kunsthandel Kunkel Fine Art in München. Seit 2016 ist er Geschäftsführer von HIGHLIGHTS – Internationale Kunstmesse München und in diesem Jahr folgt er einem Lehrauftrag an der LMU München zum Thema „Kunsthandel in München“.