Münchens letzter Malerfürst
HIGHLIGHTS Internationale Kunstmesse
In diesem Bericht setzt Kunkel Fine Art seinen Streifzug durch das Leben und Werk des Malerfürsten Franz von Stuck fort. Eine Sonderpräsentation seiner Zeichnungen, Gemälde und Plastiken aus dreieinhalb Jahrzehnten ist an unserem Stand auf der HIGHLIGHTS Internationale Kunstmesse München vom 22. bis 25. Oktober 2020 zu sehen.
Franz von Stuck, Fackelzug vor der Villa Stuck anlässlich Stucks 50. Geburtstag, 1913
In besten Kreisen
Um 1905 erreichte der durch Prinzregent Luitpold von Bayern in den Adelsstand erhobene Franz von Stuck den Zenit seiner Karriere. Sensationsbilder wie Der Wächter des Paradieses, Der Kuss der Sphinx oder Die Sünde hatten seinen Namen in den 1890er Jahren international bekannt gemacht, so dass er neben Friedrich August von Kaulbach und Franz von Lenbach als dritter Malerfürst der Kunstmetropole München galt. Zum wirtschaftlichen Erfolg kam der gesellschaftliche Aufstieg, den Stuck als Porträtmaler weiter ausbaute. Sein in Lebensgröße als Bruststück angelegtes Porträt einer Dame von 1907 ist hierfür beispielhaft. Es zeigt die Dargestellte in elegantem Abendkleid mit opulenter Pelzstola, welche sowohl ihre soziale Klasse als auch ihren exklusiven Geschmack betont. Farblich belebt der Künstler seine in ein Oval einfasste Komposition durch den Komplementärkontrast von Rot und Grün, der mit dem von ihm entworfenen Goldrahmen eine stimmungsvolle Einheit bildet.
Franz von Stuck, Porträt einer Dame, 1907
Stürmische Zeiten
Wie die meisten Deutschen ahnte Stuck bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht, welche katastrophalen Folgen sich schon bald daraus ergeben sollten. Hatte er 1913 noch ein großes Bankett anlässlich seines 50. Geburtstages ausgerichtet und einen zu seinen Ehren von den Studenten der Kunstakademie organisierten Fackelzug entgegengenommen, so verlor sein Nimbus nach 1914 allmählich an Strahlkraft. Als besonders niederschmetternd empfand Stuck das Ausbleiben staatlicher Aufträge für monumentale Skulpturen. Hierfür hatte er noch im Frieden eigens ein großes Ateliergebäude als Erweiterung seiner Villa konzipiert. Nach dessen Fertigstellung 1915 mag es dem Malerfürsten wie ein schmerzliches Sinnbild gescheiterter Hoffnungen erschienen sein.
Ateliergebäude der Villa Stuck
Mit dem Ende der Monarchie infolge des verlorenen Ersten Weltkrieges zerbrach auch die alte gesellschaftliche Ordnung in Deutschland. Die Suche nach künstlerischen Antworten auf die Fragen der neuen Zeit führte Stuck mitunter zu Bildfindungen, die auf das allgemeine Empfinden einer durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages wirtschaftlich wie politisch niedergeworfenen und in ihrem Stolz verletzen Nation schließen lassen. Charakteristisch für den Künstler ist, dass er sich dabei klassischer mythologischer Stoffe bediente.
Das große Ringen
Ein Schlüsselwerk in diesem Kontext ist Stucks 1926 vollendetes Gemälde Prometheus. Für seine durch eine Diagonale beherrschte Komposition wählte der Künstler eine annähernd quadratische Leinwand, in deren Mittelpunkt der im Titel genannte griechische Halbgott steht. Dieser hatte zuvor Gottvater Zeus das Feuer raubt, um es den Menschen zu bringen. Als Strafe für seinen Frevel wurde er an einen Felsen im Kaukasus gekettet und durch einen Adler bewacht, der täglich von seiner Leber fraß.
Franz von Stuck, Prometheus, 1926
Stuck veranschaulicht die Bedrohlichkeit der Situation sowohl durch die wehrlose Haltung des gleichsam aufbegehrenden Prometheus als auch den als Silhouette angedeuteten Adler und die aufgewühlte Naturkulisse. Das aufgepeitschte Meer und die aus dunklen Wolken in grellen Zick-Zack-Linien vom Himmel herabzischenden Blitzbündel steigern das Geschehen dramatisch ins Lautmalerische und lassen den Existenzkampf des Protagonisten unmittelbar erlebbar werden. Zugleich verleiht Stuck seinem düster-pathetischen Gemälde einen feierlichen Charakter durch den von ihm entworfenen Prunkrahmen. Bild und Rahmen verschmelzen zu einem inhaltlich-visuellen Gesamtkunstwerk, wie es für den Münchner Malerfürsten nicht typischer sein könnte.
Abschied von Münchens letztem Malerfürsten
Zwei Jahre nach Vollendung des Prometheus erlag Franz von Stuck im Alter von 65 Jahren einem Hirnschlag. In seinen letzten Lebensjahren hatte er mit großer Stringenz an einigen ihn besonders faszinierenden Themen gearbeitet, zu denen auch die alttestamentarische Geschichte von Judith und Holofernes zählt.
Franz von Stuck, Judith und Holofernes, um 1927
1926 ließ sich Stuck in seinem Atelier in selbstbewusster Pose vor der finalen Fassung des Gemäldes ablichten und die Welt damit wissen, dass er noch immer auf der Höhe seiner Schaffenskraft war. Als er im Sommer 1928 unter großer Anteilnahme der Münchner Künstlerschaft zu Grabe getragen wurde, hatte die bayerische Kunstmetropole ihren letzten Malerfürsten verloren.
Franz von Stuck im Atelier, 1926